Hundszeiten by Felicitas Mayall

Hundszeiten by Felicitas Mayall

Autor:Felicitas Mayall [Mayall, Felicitas]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2009-07-05T11:47:12+00:00


Er war weg. Nur seine Kleider in der Waschmaschi- ne waren noch da. Laura konnte es nicht fassen. Sie sah in allen Räumen nach, fand aber keine Spur von ihm. Besonders aufmerksam inspizierte sie ihr Schlafzimmer. Er schien es nicht einmal betreten zu haben. Nichts hatte sich verändert, nichts fehlte. Hat- te er etwas gegessen? Ja, er hatte. Ein Teller und ein Messer lagen, sorgfältig gereinigt, neben dem Spülbe- cken, und auf dem Küchentisch fand sie einen Zettel.

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Musste weiter. Ralf

Wohin er wohl musste, dachte Laura. Zu seinem An- hänger? Seine innere Unruhe einholen? Weglaufen, weil alles zu schwierig wurde?

Laura zog das grüne Kleid aus und ließ es einfach auf den Boden fallen. Dann stellte sie sich zum zwei- ten Mal an diesem Tag unter die Dusche, nur kurz, aber sie musste diesen Schlachthausgeruch abwa- schen, den sie noch immer zu spüren meinte. Danach zog sie eine schwarze Leinenhose und ein weißes Baumwollhemd an und fühlte sich wieder halbwegs eins mit sich. Sie befestigte die großen silbernen Creolen an ihren Ohrläppchen und zog sich die Lip- pen nach. Ohne Sonnenbrille sah sie noch immer aus wie ein Schreckgespenst.

Als das Telefon klingelte, hoffte sie auf einen An- ruf ihrer Kinder. Aber es war die alte Frau Neuner aus dem ersten Stock. Lauras Kinder kauften ab und zu für sie ein.

«Is der Luca da, Frau Gottberg?»

«Der Luca ist in England, Frau Neuner. Es sind doch Ferien, und er wollte unbedingt Englisch ler- nen. Um was geht’s denn?»

«Ah, so … in England is er. Ja mei. Wissen S’, es is so … also, des is mir jetzt peinlich, Frau Gott- berg.»

«Was denn?»

«Ich wollt Sauerkraut zum Mittagessen machen. Und ein Wammerl.»

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«Ja?»

«Ja, und jetzt krieg ich die Dose nicht auf.» «Können Sie noch fünf Minuten warten, Frau Neuner? Dann komm ich zu Ihnen runter und mach die Dose auf.»

«Täten Sie das echt, Frau Gottberg?»

«Tat ich echt. Also in zehn Minuten.»

Laura betrachtete den Hörer und dachte, wie ab- surd das Leben sein konnte. Eine alte Frau wollte bei nahezu vierzig Grad Außentemperatur Sauerkraut und Wammerl essen und bekam die Dose nicht auf. Gleichzeitig brach unten an der Isar einem Obdach- losen das Herz, weil er einen Traum verloren hatte. Von einer Hütte am Meer und Hühnern und Kanin- chen und einem Freund, der bei ihm blieb. Sie versuchte es noch einmal in England, aber diesmal meldete sich nur der Anrufbeantworter. Da- nach überlegte sie kurz, ob sie bei Guerrini in der Questura anrufen sollte, ließ es aber bleiben. Im Moment fehlte ihr die Kraft dazu.

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